Rezension Lotz – Oxfort: Qi Gong. 75 Therapiekarten

Norbert Lotz/ Christina Oxfort
Qi Gong

75 Therapiekarten mit 32-seitigem Booklet in hochwertiger Klappkassette.
Format: 25 x 17,4 x 4,287
Beltz-Verlag Weinheim
1. Auflage 2023
ISBN 4019172101091
54 Euro

In einem 75-teiligen Kartenset die Grundlagen des Qi Gong darlegen und dazu einfache Übungen für die Praxis vorstellen – einsetzbar in Therapie, Beratung und Coaching. Das erschien mir – zugegebenermaßen – auf den ersten Blick dieser Neuerscheinung aus dem Beltz-Verlag ein zu hehres Ziel. Ja, angesichts meines umfangreichen Bücherregals zu genau diesen Themen, eigentlich kaum erfüllbar.

Ein Blick auf die beiden Autoren dieser Veröffentlichung auf der Basis von einzelnen Karten verstärkte meine Skepsis. Norbert Lotz, Psychologie-Professor aus Frankfurt, und Christina Oxfort, Biologin und Heilpraktikerin aus Bad Vilbel, beide ausgebildet bei der chinesischen Ärztin Liu Yafei in deren System des Nei Yang Gong: Was mag das bringen für diese Zielgruppe, die möglicherweise über geringe Kenntnisse in Theorie des Qigong-Systems verfügt oder eine ganz andere Ausbildung durchlaufen hat?

Es gehört mit zu den schwierigsten Anforderungen im Bereich von Vortragstechnik, Unterricht und Lehre, gerade umfangreiche und komplizierte Sachverhalte in einfachen Worten verständlich zu präsentieren. Genau daran sind schon viele gescheitert. Doch Lotz und Oxfort ist in Zusammenarbeit mit den Verlagsexperten ein nahezu geniales Werk gelungen, von dem viele profitieren können.

Zunächst einmal die avisierte Zielgruppe der Therapeuten, Berater und Coaches für die Einzelarbeit mit ihren Klienten oder Kunden. Mit den optisch und haptisch sehr ansprechenden Karten in einem Format irgendwo zwischen DIN A5 und DIN A4 mit jeweils einer Bild- und Textseite lässt sich wunderbar arbeiten. Man kann sich für jede Sitzung ein Thema vornehmen und erarbeiten. Oder dem Ratsuchenden/Klientin/Coachee eine der Karte als „Hausaufgabe“ mitgeben. Den Autoren ist es gelungen, umfangreiche Sachinhalte in kurze Sätze herunterzubrechen und mit einer kleinen Denkaufgabe oder Mini-Übung zu verbinden.

Ihr geplanter Gegenpol zum krank machenden „dichotomen Denken“ im westlichen Kulturraum, auch Schwarz-Weiß- oder Alles-oder-Nichts-Denken genannt, das die beiden im beiliegenden 30-seitigen Booklet erläutern, wird deutlich, wenn man sich die Karte 5 zur Hand nimmt. Die Schwierigkeit bei der Übertragung chinesischer Begriffe in eine verständliche deutsche Schreibweise wird anhand von sechs unterschiedlichen und gebräuchlichen Schreibweisen von „Qi Gong“ präsentiert. Möglichen Belehrungen durch die Leser, dass man doch heutzutage „Qigong“ (oder etwas anderes) schreibe, wird da gleich die Substanz entzogen.

Die ausgewählten Übungen sind keinesfalls speziell oder kompliziert in der Ausführung, sondern gleichermaßen für Anfängerinnen und Fortgeschrittene geeignet, weil es sich jeweils um Grundlegendes jedes Qigong-Übungssystems handelt. Etwa beim Thema „öffnende“ und „schließende Kreise“ oder dem weiten Feld der Atmung in den chinesischen Entspannungsverfahren. Mit der Darstellung auf Karte 30 zum Unterschied von „Yin-Atmung“ und „Yang-Atmung“ lässt sich wunderbar eine Einzelarbeit gestalten. Kursleitende können die grafische Darstellung von der Vorderseite dieser Karte sehr leicht per Hand mit einigen Strichen auf ein Plakat oder anderes Präsentationsmedium übertragen und damit auch in einer größeren Gruppe von Übenden arbeiten. Oder die auf der jeweiligen Karte angeschnittene Thematik zum Inhalt einer Kurseinheit in ihrer Übungsgruppe machen.

Neben den Kursleitenden können sicher auch erfahrende Übende von diesem Kartenset zur Stressbewältigung und Selbstfürsorge profitieren. Statt sich bei dem vorliegenden „Wust“ von Büchern schwer für etwas Konkretes entscheiden zu können, widmet man sich nur dem Thema und der Aufgabenstellung einer einzigen Karte.

Ebenfalls wohltuend: Die beiden Autoren haben sich bei allen praktischen Übungen selbst vor den Fotografen gestellt und dies nicht irgendwelchen smarten und Jugendlichkeit ausstrahlenden Models überlassen. So kommt das Ganze authentisch rüber.

Generell gilt für das Üben von Qigong oder Qi Gong, was jede und jeder schon mal in ähnlicher Form gehört oder selbst gesagt hat - und hier auf der letzten Karte 75 steht: „Wenn Du üben willst, dann übe. Wenn Du nicht üben willst – dann übe.“ Ein sehr gelungenes Werk!

Autor: Ralf Jakob im September 2023